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Pastoralkolleg vom 8.-12. Februar 2016 in Palanga

Diakonie als Chance und Herausforderung der Kirche

 

Pfr. Mindaugas Kairys

Leiter des Landesverbandes der Diakonie in Litauen

 

Heutzutage spielen die Nichtregierungorganisationen (NGOs) eine besondere Rolle, da die Stadtverwaltungen nicht mehr in der Lage sind, alleine den Bedürftigen Hilfe zu leisten.

Aus diesem Grund wird die Kirche zur Erweiterung ihres Sozialdienstes in der heutigen Welt inspiriert. Die Kirche darf nicht wegschauen und auf keinen Fall aktuelle soziale Probleme und Fragen ignorieren, wie z.B. Bewältigung der Folgen verschiedener Naturkatastrophen, Verteidigung der Menschen- und Freiheitsrechte, Streben nach politischer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit etc. Eine der wichtigsten sozialen Funktionen einer Kirchengemeinde ist die Vermittlerfunktion zwischen einem Bedürftigen und verschiedenen Sozialträgern zu übernehmen.

In der Litauischen Evangelisch-Lutherischen Kirche entwickelt die Diakonieorganisation „Sandora“ ihre Tätigkeit. Diese Wohltätigkeitsorganisation unterstützt einsame bedürftige junge und alte Menschen, Behinderte und Familien, ist im Bereich der Kultur und Bildung aktiv, hilft allen nach Rat und Unterstützung suchenden Menschen, komplizierte soziale Probleme zu bewältigen.

In Litauen gibt es viele soziale Probleme, aber eines der wichtigsten Probleme ist Armut. Nachdem Litauen EU-Mitglied geworden ist wurde es möglich, mit verschiedenen Fördermitteln Lebensbedingungen in Litauen zu verbessern. In ländlichen Regionen Litauens wird die Infrastruktur erweitert, der Landtourismus entwickelt und alternative Landwirtschaft gefördert. Abgesehen davon ist das Armutsausmaß immer noch groß. Laut Daten des Statistikamtes lebte im Jahr 2014 jeder fünfte Einwohner Litauens unter dem Armutsniveau, d.h. etwa 610.000 Einwohner (davon 16 Prozent in der Stadt und 25,5 Prozent auf dem Lande). Es ist offensichtlich, dass die Armut auf dem Lande viel verbreiteter ist. Der Unterschied zwischen Städten und Regionen ist riesig.

Es werden in Litauen unterschiedliche Maßnahmen, Projekte und Programme entwickelt, um die Armut zu reduzieren. Trotzdem sind die Maßnahmen nicht ausreichend und nicht genug wirksam, da sie den Bedürfnissen und der Spezifik der ländlichen Regionen nicht entsprechen. Auf dem Lande leben deutlich mehr von sozialen Problemen betroffene Menschen, z.B. Kinder, ältere Menschen, Großfamilien und nicht so gut ausgebildete Menschen. In Dörfern werden Schulen und Kulturhäuser geschlossen, es gibt wenige Arbeitsplätze, darum ziehen viele Dorfbewohner in die Städte, oder sie verlassen sogar Litauen und wandern in andere besser entwickelte Länder aus.

Armut auf dem Lande ist ein besonders aktuelles Problem, da viele Menschen davon betroffen sind (ein Drittel der litauischen Bevölkerung lebt auf dem Lande).

Für die Erklärung der Ursachen von Armut werden meistens zwei Grundkonzepte genommen. „Kultur der Armut“ und „Abhängigkeitskultur“ behaupten, dass die Armen selbst für diese Armut verantwortlich sind. Ohne die erforderlichen Fertigkeiten, wegen der zu niedrigen Motivation und Moralschwäche sind die Armen nicht in der Lage, einen Erfolg in dem Gesellschaftsleben zu erreichen. Manche sind, anstelle der Leistung des eigenen Beitrags, von der äußeren Hilfe abhängig, z.B. Sozialleistungen. Das zweite Konzept behauptet, dass die Armut von den grundsätzlichen Sozialprozessen infolge nicht gleicher Verteilung von Ressourcen und Umständen, die schwer auszuschalten sind, verursacht wird.

Gründe für die Armut sind unterschiedlich:

  • Arbeitslosigkeit. Eine der wichtigsten Ursachen von Armut in Litauen. Die Arbeitslosigkeit und nicht ausreichende Beschäftigung hängt eng mit der nicht genügenden Entfaltung der wirtschaftlichen Tätigkeit und unzureichender Arbeitsmarktentwicklung in den ländlichen Regionen zusammen. Der Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist rückgängig oder sogar nicht vorhanden, es werden die Schulen, Kulturhäuser und andere Behörden geschlossen. Es gibt fast keinen Arbeitsmarkt. Die Dorfeinwohner bleiben „am Rande“, sie sind nicht in der Lage, die Grundbedürfnisse zu befriedigen, eine ausreichende soziale und materielle Lage zu sichern. Der negative Einfluss des Arbeitsmarktrückganges ist sogar auf dem Niveau der Familie und des Individuums spürbar.       Falls in einer Familie ein Arbeitsloser ist, so ist diese Familie mehr verschlossen, steigt die Anzahl der Konflikte, Gewaltfälle, die Aktivität und Stabilität der Familie wird damit beeinträchtigt. Die Person fühlt sich hilflos, erlebt eine psychologische Krise. In vielen Fällen hängt das auch mit einem übermäßigen Alkoholkonsum zusammen.

  • Kleine Einkommen. Die unqualifizierte Arbeitskraft und die Angestellten ohne einen Festvertrag verdienen so wenig, dass solche Einkommen für die Befriedigung der Grundbedürfnisse nicht ausreichen. Es gibt auch andere Ursachen (alleinerziehende Mutter/Vater, Großfamilien) und Umstände (schlechte Gesundheit, Invalidität, Alter, schlechte Wohnbedingungen und ähnliche Faktoren) der zu niedrigen Einkommen.

  • Sinkende Geburtenraten und wachsende Abwanderung junger Leute. Aus diesen Gründen nimmt der Anzahl von alten Menschen kontinuierlich zu und somit steigt dieAbgabenlast der Leistungserbringer.

  • Ungleichstellung der Geschlechter, Diskriminierung der Ausländer, Behinderten sowie anderer Bevölkerungsgruppen.

  • Korruption in Politik, falsche Verteilung der Staatsmittel, ungerechte Struktur des Steuersystems. Die Steuerermäßigungen sind eher für die wohlhabenden Bürger zugänglich.

  • Strukturwandel der Familie und steigende Zahl der Scheidungen, Drogen- und Alkoholkonsum, von der Umgebung geprägte Denk- und Handlungsmuster.

  • Mangelhafte Ausbildung. In der heutigen Gesellschaft, in der immer mehr vom lebenslangen Lernen gesprochen wird, spielt die Ausbildung eine besonders wichtige Rolle. Der Ausbildungsprozess sichert Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, ändert die Werteinstellungen, erzieht den Menschen und erhöht damit die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Aber die aktuellen Bildungsreformen verursachen die Sorgen für die ländlichen Schulen. In Dörfern werden die Schulen für allgemeine Bildung geschlossen. In Folge dessen sinkt auch das Ausbildungsniveau der Dorfeinwohner.

  • Zu kleine verfügbare Jahreseinkommen der Haushalte.

  • Nicht entfaltete soziale Infrastruktur.

In Armut zu geraten ist kein langer Prozess. Noch mehr, in der Armut aufwachsende Kinder werden auch selbst arm. So entsteht ein Teufelskreis der Armut, wächst die soziale Fragmentierung und die Spannungen nehmen zu.

Die Folgen von solchen sozialen Prozessen sind besonders schwer: soziale Exklusion, Rückgang der Selbsteinschätzung, Scheidungen, wachsende Unzufriedenheit mit dem Leben oder sogar Selbstmord, Mord (in der Liste der Suizidrate nach Ländern steht Litauen als erste in Europa, in dem Welt – Suizid- Report an fünfter Stelle (Stand 2015). Dieses Problem ist seit Jahrzehnten besonders akut.). In Armut geratene Menschen sind nicht in der Lage, die menschlichen Grundbedürfnisse zu befriedigen. So bemüht sich jeder auf beliebige Weise zu überleben (in Extremfällen sogar durch Raub, Diebstahl, Mord). Die Statistik zeigt, dass die Anzahl der Mordopfer bei etwa 16 pro Monat liegt. Jeden Tag sehen wir im Fernsehen Nachrichten über die brutalen Mordfälle: ohne die Elternaufsicht sind alle Kinder im Haus verbrannt oder der Vater hat die Kinder im Brunnen ermordet u.a.. Da die Armutsquote, die Arbeitslosigkeit und der Alkoholismus in unserem Lande so ausgeprägt sind, sind auch die Zahlen häuslicher Gewalt, die Anzahl der Mordopfer sowie der Suizidraten so hoch. (In der Liste der von der Weltgesundheitsorganisation ermittelten Werte für den mittleren Alkoholkonsum nach Ländern (Stand 2015) steht Litauen an erster Stelle. Die Alkoholmenge pro Person liegt bei 14 Litern. Auch ist es zu bemerken, dass die Alkoholmengen in Litauen mit jedem Jahr steigen, Alkoholkonsum zwischen den jungen Menschen wächst auch ständig).

Um die Armut zu vermeiden bzw. um aus den ärmlichen Lebensbedingungen rauszukommen, wandern viele Arme in andere Länder aus und versuchen dort ihren Wohlstand aufzubauen. Unter Auswanderern kann man nicht nur weniger ausgebildete Menschen sondern auch Wissenschaftler, Fachleute und hochqualifizierte Mitarbeiter treffen. Sie könnten eigentlich auch in Litauen ihren Wohlstand aufbauen, entscheiden sich aber für interessante Angebote, höhere Löhne und bessere Lebensbedingungen im Ausland.

Der EU-Beitritt hat für weniger entwickelte osteuropäische Länder verschiedene Möglichkeiten angeboten: es gibt keine Ausweiskontrolle an den Grenzen mehr, EU-Bürger haben Recht auf freie Bewegung und Arbeit im ganzen EU-Raum. Aber jede Münze hat zwei Seiten. Es wird kaum darüber diskutiert, dass viele Migrantenkinder, die sog. Euro-Waisenkinder, den höchsten Preis zahlen müssen.

Die meisten Kinder erleben das gleiche, was auch nach dem Tod ihrer Eltern verwaiste Kinder erleben. Sie fühlen sich vernachlässigt und können sich schlecht an veränderte Lebenssituation anpassen, sie werden träge, apathisch, uninteressiert, teilnahmslos und schweigsam.

Das kann schwere Folgen haben: die sog. Euro-Waisenkinder neigen dazu, Schule abzubrechen, kriminell tätig zu werden und Alkohol bzw. Drogen zu missbrauchen.

Euro-Waisenkinder werden zu einer Erscheinung, die leider noch keinen festen Platz auf der Tagesordnung der Politiker gefunden hat. Das Thema verdient immer noch zu wenig Aufmerksamkeit.

Obwohl die Schulen über die ausgewanderten Eltern informiert werden, gibt es keine Statistik über genaue Anzahl der Euro-Waisenkinder in Litauen. Es werden keine genauen Daten über die Auswanderer und die in Litauen gelassenen Kinder erhoben. Die Tatsache, dass der Staat über keine Information über die illegale Auswanderung verfügt, macht das Problem noch komplizierter und herzbrechender. Kinder sind eine besonders empfindliche Gesellschaftsgruppe, darum müssen sie gepflegt und geschützt werden. Dieses Gesellschaftsphänomen gehört immer noch zu einem Tabu-Thema und verdient zu wenig Aufmerksamkeit.

Wenn viele arbeitsfähige Bürger ausreisen, wird das Gesellschaftsalterungsproblem besonders deutlich. Der Bedarf an Pflegedienstleistungen nimmt mit der Zeit zu. Immer mehr Litauer überlassen die Pflege ihrer alten und kranken Familienangehörigen den Pflegeeinrichtungen. Man wartet aber ab und arbeitet nicht an der Entwicklung einer Strategie für qualitätsvolle Pflege. Einsame ältere Menschen werden oft sich selbst überlassen.

Armut bringt viele schwere Folgen mit sich, die auch unser Leben beeinträchtigen. Armut ist auch auf den Straßen offensichtlich.

Viele Einrichtungen stehen den Bedürftigen zur Verfügung. Die Kirche gehört auch zu solchen Einrichtungen. Seit ihren Anfängen bietet die Kirche den Ärmsten Unterstützung. Auf den Kirchentreppen haben schon immer die Armen gebettelt und betteln heute noch, sie haben nach Trost bei Gottesdienern gesucht.

Sprechen wir von Armut, so können wir uns an das Gotteswort, das Evangelienbuch, anlehnen, da es die Quelle unserer Lehre, unserer Anschauungen auf die Welt und zwischenmenschliche Beziehungen ist. Laut Evangelienbuch handelt es sich um zwei „Säulen“ der Armut. Im Evangelium steht: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, dass aus dem Mund Gottes kommt.“ Das kann man folgendermaßen erklären: unser Leben beruht nicht nur auf materiellen Sachen, im Gegenteil, das Geistige soll dominieren. Darum sprechen wir von der ersten „Säule“ einer Persönlichkeit, d.h. vom geistigen Leben des Menschen. Man sollte zuerst die geistige Armut reduzieren. Der Weg dazu beginnt in dem Moment, wenn der Mensch nach Geistigkeit sucht. Es lassen sich auch andere Ebenen der Werte-Armut unterscheiden, z.B.: kulturelle und soziale Armut. Wenn ich von der „sozialen Armut“ spreche, so verstehe ich unsere mangelnde Kommunikation darunter. Es wird nur dann kommuniziert, wenn es um Befriedigung unserer Interessen geht.

Die Beseitigung der Geistesarmut ist von großer Bedeutung, trotzdem wird das Thema vernachlässigt. Unsere moderne Konsumgesellschaft ist besonders auf Materielles konzentriert, viele Menschen streben nach Befriedigung ihrer hedonistischen Bedürfnisse. Eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche ist die Verdeutlichung des Problems der Geistesarmut. Wenn die Kirche das Thema nicht ansprechen wird, so wird es auch von anderen Gesellschaftsmitgliedern nicht angesprochen. Zur Armutsreduzierung kann jedes Mitglied der christlichen Gemeinde beitragen.

Andererseits bringt die Kirche die Gute Nachricht. Die Gute Nachricht umfasst Beides: Das Geistige und das Materielle. So handelt es sich bei der zweiten „Säule“ der Armut um die materielle Armut, die auch zu minimieren ist, da jeder Mensch nicht nur vom geistigen Brot leben kann, braucht er auch tägliches Brot und menschenwürdige Lebensumstände. Was wird von echter Armut im Evangelienbuch geschrieben? Dort steht: „Sie rufen: „Herr, Herr“, aber sie lehnen die Bedürftigen ab“. Das heißt, dass wir die Bedürftigen abstoßen, wenn sie zu uns kommen und um Essen bitten, und wir die Armen nur segnen und sagen: „Geh mit Gott!“. Oder wenn wir einen Menschen, der um Kleidung bittet, mit den Worten begleiten: „Geh mit Gott, er soll dich bekleiden“. Diese Vorgehensweise ist falsch. Wir müssen barmherzig sein und unseren Reichtum mit den Armen teilen. Wenn jemand hungrig ist, so können wir das Essen anbieten. Als Beispiel kann die Wohltätigkeit der Diakonie seit der Unabhängigkeitserklärung Litauens im ganzen Land genannt werden: Diakonie organisiert Tafeln für die Armen (Suppen-Küchen) und verteilt humanitäre Hilfe.

Die Kirche soll wohltätig sein, aber sie darf auch von dem Geistigen nicht wegkommen. In der Bibel steht: „Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan“. Das bedeutet aber nicht, dass wir nur Essen und Kleidung anbieten müssen. Es geht eher um unsere Einstellung zu Armen. Wenn wir etwas Gutes tun, z.B. einem Bedürftigen Essen geben, bedeutet es aber nicht, dass wir automatisch die Entfernung zwischen uns und dem Armen reduzieren, es sollte dabei eher um die Beseitigung der sozialen Unterschiede gehen. Wir sollten durch unsere Hilfe die Armen an uns ziehen und die Kommunikationsarmut reduzieren. Aus diesem Grund sollten wir, Mitglieder der christlichen Gemeinde, zur Armutsbeseitigung beitragen.

Im Evangelienbuch steht: „Ihr habt allezeit Arme bei euch“. Aber die Bibel regt uns an zu gehen und zu dienen. Das heißt, dass wir durch unsere Beziehung zu den Armen unseren Glauben überprüfen können, obwohl wir wissen, dass wir für unsere Wohltätigkeit keine Belohnung bekommen können, außer der Belohnung durch das ewige Leben. Dabei meine ich aber nicht, dass wir uns freuen müssen, dass es Arme gibt und dass wir dadurch gerettet werden.

Ich bin daher überzeugt, dass wir als eine christliche Gemeinde alles tun müssen, um das Leben der Bedürftigen zu erleichtern.